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Experimentalarchäologie

Ein vermeintlich neues Feld der historischen Wissenschaften ist die experimentelle Archäologie.

Vermeintlich, da die ersten Versuche schon Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte zurück liegen.

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Geschichte der Experimentalarchäologie

 

Einige der frühen und bedeutendsten Experimente kamen fast gänzlich ohne Rekonstruktionen aus. So bemühte Dr. Hans Delbrück am Ende des 19. Jh. beispielsweise einen Turnverein, um grundlegende Feststellungen betreffend hoplitischer Kampfweise zu treffen und den Glauben an einen Sturmschritt über hunderte von Metern anhand realer Kriegsbeispiele seiner Zeit zu zerschlagen.
Hans Dellbrueck
Dr. Hans Delbrück
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Auch Thor Heyerdahl, der in den späten 40ern des 20. Jahrhunderts seine Experimente zur frühgeschichtlichen und antiken Seefahrt durchführte ist ein wichtiger Bestandteil dieser frühen Forschung, wobei hier nun auch die Rekonstruktion eine wichtige Rolle spielte.

Nach diesen, von den Medien teilweise stark beachteten Versuchen kam es schrittweise zu einer Instrumentalisierung und Einordnung in die wissenschaftliche und universitäre Arbeit.
Thor Heyerdahl

Einen großen Schritt in dieser Hinsicht besonders für den Bereich der Alten Geschichte und klassischen Archäologie ging Dr. Marcus Junkelmann, als er 1984 in der Ausrüstung augusteiischer Soldaten Feldversuche startete und die ausgewerteten Ergebnisse samt ihrer Vorarbeit zwei Jahre später publizierte. Die damit verbundene umfangreiche Recherche führte noch zu weiteren Experimenten, Rekonstruktionen und Veröffentlichungen, welche für besagte Fächer mittlerweile wichtige Erkenntnisse lieferten.
Dr. Marcus Junkelmann
Dr. Marcus Junkelmann

Neben vielen weiteren, zum Teil kleinen Versuchen finden sich jüngste Unternehmungen im Nachbau eines spätantiken Flussschiffes durch die Universität Regensburg ( http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_III/Geschichte/lusoria.html ) oder einer Reihe von Beschußtests durch Mitglieder der Legio XXII PR, welche in der Zeitschrift „Antike Welt“ vom April 2006 und auf ihrer Seite präsentiert wurden ( http://www.legioxxii.de/Schutz.htm ).

So sehr dies durch jene Namen als ein deutsches Feld erscheint, so sehr mangelt es hier in Deutschland und Zentraleuropa noch an einer klaren Einordnung und richtigen Akzeptanz, anders als etwa in Britannien oder den USA, wo auch das Hobby des Reenactment schon eine deutlich längere und anerkanntere Tradition vorweisen kann.

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Unterscheidung zwischen Kunst, Kultur und Wissenschaft

 

Die unsystematische Vorgehensweise und der im 19. Jahrhundert stark einsetzende Historismus erschweren die Trennung auf den ersten Blick zwischen jenem Hilfszweig der Wissenschaft und einem simplen Bestandteil der Kultur.

So ist man heute gezwungen, die Rekonstruktionen und Reparaturen an antiken Bauwerken und Skulpturen mit großem Aufwand nach zu bessern oder in den Auswertungen zu beachten. Erst vor kurzem wurde die Statue des Antinous auf der Museumsinsel wieder ausgestellt, nachdem die Schäden, welche durch die vor fast 150 Jahren stattgefundenen Ausbesserungen beseitigt wurden.

Kastell Saalburg

Ein anderer Vergleich. Unter der Leitung von Louis Jacobi rekonstruierte man die Saalburg www.saalburgmuseum.de anhand der Befunde. Dieser Bau ist jedoch nicht Bestandteil der Experimentalarchäologie zu verstehen, da dieser eben nicht mit den Mitteln und exakten Materialien durchgeführt wurde und werden konnte.

Dagegen wird in Frankreich derzeit eine mittelalterliche Burg mit genau diesen Methoden neu errichtet und natürlich auch ausgewertet. www.guedelon.org

Das schmälert den Wert der Saalburg als Rekonstruktion nicht im Mindesten, da sie anhand der Befunde und so exakt als nur damals möglich erstellt wurde und auch heute noch mit Bauprojekten glänzt. Aber sie ist eben nicht als Experiment zu sehen.

Oder, um es mit den Worten von Prof. Dr. M. Fansa vom Staatlichen Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Oldenburg zu sagen: „Es ist richtig, dass die experimentelle Archäologie sich mit der Rekonstruktion von vorgeschichtlichen Lebensverhältnissen beschäftigt, aber nicht jede Rekonstruktion ist ein Experiment, sondern jedes Experiment führt eventuell zu einer Rekonstruktion.“

So reicht es, entgegen der momentan scheinbar sich verbreitenden Meinung eben nicht, einen Gegenstand oder eine komplette Ausrüstung nach zu bauen oder zu kaufen, um bereits in den Bereich der Archäologie zu gelangen, selbst dann nicht, wenn man dies nutzt um historische Berichte nach zu vollziehen.

Um ein Experiment durchzuführen, gehört neben einer klar definierten Fragestellung, unter der dieses Beobachtet wird eine stichhaltige und möglichst umfangreiche Recherche, eine detaillierte Beobachtung und Aufzeichnung sowie eine fachlich versierte Auswertung.

Diesen und den naturwissenschaftlichen Ansprüchen, etwa der Wiederholbarkeit, an ein Experiment gerecht zu werden ist ein umfangreiches Vorhaben, welches sich außerhalb universitären Strebens oftmals angekündigt, aber nicht umgesetzt findet.

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